Zentrale Argumentation / Zitate
Aktuelle sozialwissenschaftliche Gesellschaftsanalyse mit Fokus auf die Frage der Möglichkeiten und Grenzen von Transformation von Gegenwartsgesellschaften.
Tückische Probleme sind so beschaffen, dass es für sie keine einfach benennbare Lösung gibt, mit der sie sich abhaken ließen. Dass unterscheidet sie von zahmen Problemen, etwa dem Ozonloch. Hier gab es eine eindeutige Ursache, der man, nachdem man sie identifiziert hatte, mit einer vergleichsweise überschaubaren Maßnahme an den Kragen gehen konnte: dem Ersatz von Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW), zum Beispiel in Kühlschränken. Der Klimawandel ist nicht zahm, sondern charakterisiert durch komplexe Interdependenzen und Dilemmata auf zahlreichen Ebenen, die keine Masterlösung zulassen. Wie bei allen tückischen Problemen kann auch hier nur schrittweise nach pragmatischen Lösungen gesucht werden, die einen besseren Umgang mit ihm ermöglichen und zu Teilantworten führen.
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Zuletzt spielt eine weitere Besonderheit der Klimapolitik eine Rolle: Die Natur, um die es geht, ist selbst politisch stumm. Das unterscheidet sie etwa von den Arbeiterinnen und Arbeitern, die im 20. Jahrhundert für ihre Rechte und für soziale Umverteilung kämpften. Die Natur kann nicht für sich selbst sprechen, sondern benötigt Stellvertreter. […] Erst die Auflösung stabil geglaubter Naturverhältnisse kreiert Resonanz in den Sinnsystemen, wobe iNatur jetzt als passiv-aggressives Objekt erscheint, von dem befürchtet wird, dass es zukünftig nicht mehr so funktionieren wird, wie es die sinnhaft handelnden Akteure bisher immer voraussetzen konnten. (86f)
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Ökonomisch ausgedrückt, kommt es für das Erreichen des Ziels der Klimaneutralität zu neuen Formen der Externalisierung von Umweltschäden. Die Operationsweise der kapitalistischen Moderne setzt sich fort, indem ein Teil der Kosten des Herstellungsprozesses aus der Kostenrechnung herausgehalten wird.
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Außerdem erstrecken sich solche fundamentalen Wandlungsprozesse über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Angesichts des unbarmherzigen Zeitplans, den uns der Klimawandel diktiert, kann man nur sage: Wir haben schlicht nicht die Zeit, erst die bestehende Gesellschaftsordnung umzustoßen, dann eine neue zu erreichten, um schließlich irgendwann einmal das Klimaproblem anzugehen.
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Ausführliche Quellenangabe
Beckert, Jens: Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2024.